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Moderat im Interview

Moderat - III, Album Cover

Heute erscheint das neue Album „III“ von Moderat. Am Mittwoch, dem 30. März, konnte man die drei live im Haus Auensee erleben.

Leon Brachvogel war vor Ort und hatte die Möglichkeit, einige Fragen an Gernot von Moderat loszuwerden, die ihm in Bezug auf die neue Platte und die laufende Tour unter den Nägeln brannten.


Ihr seid doch bestimmt gelangweilt von Fragen zum aktuellen Album. Ich habe gehört, euer nächstes soll „IV“ heißen, stimmt das?

Wir wissen noch nicht, wie wir es nennen. Unser letztes Album ist ja gerade erst fertig geworden. Wir tun uns immer schwer mit Albumtiteln, deswegen haben wir auch nummeriert. Wenn man einem Album einen Titel gibt, muss man immer erklären warum es so heißt. Und jetzt haben wir es nummeriert und müssen es trotzdem erklären. Das ist irgendwie anstrengend.

Ich habe schon gelesen, ihr wurdet oft gefragt, ob es nun eine Trilogie ist oder nicht.

Naja, es ist ja eine Trilogie. Die Artworks sind sehr ähnlich. Das Cover der ersten Platte ist quasi eine Frau, die sich selbst ausknockt, auf der zweiten ist ein Mensch, der sich eine Maske auf- oder absetzt und das jetzige Cover ist das Kind, was dann noch gefehlt hat. Daher machte das irgendwie Sinn. Derjenige, der den Pressetext geschrieben hat, hat dann eine Trilogie daraus gemacht. Wir haben keinen Masterplan, dass wir da einen Dreiteiler daraus stricken wollen oder so. Klingt einfach besser.

Wie lief der Tourstart so? Wie waren eure bisherigen Shows in Paris und Amsterdam?

Super! Wir haben mit dem ganzen Setup in Berlin lange geprobt. Das hat sich ausgezahlt. Wir haben ja die Jahre vorher nie geprobt. Wir sind einfach immer auf Tour und haben losgelegt und das ist megastressig. Wenn man ein bisschen älter ist und schon die 30 überschritten hat, umgeht man den Stress halt. Dadurch waren wir echt super vorbereitet. Paris war ein voller Erfolg, gestern Amsterdam war megageil und ich glaube, heute wird es auch voll fett! Ich glaube es sind noch 60 Tickets übrig und das sind 3.600 Leute, die hier in Leipzig zu uns kommen und das ist schon irgendwie ziemlich fett, weil wir da nicht mit gerechnet haben.

Und warum beginnt ihr die Tour vor dem Release vom Album? Die Leute wissen ja nicht, was auf sie zukommt.

Aber stört ja nicht! [lacht]

Was ist, wenn die Leute sagen „Ihr habt euch verändert“?

Das wird nicht so sein. Wir würden ja nie irgendwas rausbringen, was wir scheiße finden oder wo wir uns nicht sicher sind. Wir haben viele Fehler gemacht. Da haben wir schon genug Erfahrung, was auch schon so ein bisschen unser Vorteil ist. Wir haben immer alles selber gemacht. Wir haben immer ohne große Partner gearbeitet. Wenn wir Sponsoring gemacht haben, dann waren das immer alles Kumpels, die man kannte und mit denen man sich dann arrangiert hat. Genauso war es auch mit Labels. Wir haben ein eigenes Label gegründet und hätten auch mit Majors zusammenarbeiten können. Aber wir haben uns immer dazu entschieden, unabhängig zu bleiben. Und so ist es auch unsere Entscheidung gewesen, einfach zu sagen, dass wir schon eine Woche vor dem Album auf Tour gehen. Die Leute kaufen ja die Karten Monate vor dem Release. Die 5 Tage machen dann auch keinen Unterschied mehr. Heute auf dem Konzert kann man das Album auch schon kaufen. Wir haben Vinyleditionen und das geht weg, wie warme Semmeln. Das ist auch cool, wenn du zu einem Gig gehst und die Platte schon hast, bevor die anderen sie haben. Es war einfach sinnvoller, das schon mal anrollen zu lassen. Wir sehen es einfach nicht ein, große Budgets für Promotion auszugeben. So wie Major-Labels, die dann in eine Promoaktion für eine Band wie uns wahrscheinlich eine Million investieren würden. Das ist letztendlich immer so ein Spiel mit dem Feuer, weil sowas meistens nur funktioniert, wenn es echt ist.

Was ich mich auch gefragt habe: Gibt es bei der Albumproduktion eine gewisse Rollenverteilung, oder macht da jeder ein bisschen?

Absolut kann man das nicht sagen. Es ist schon so, dass Sascha die Texte schreibt und die Songidee von ihm kommt. Ich habe mit den Texten überhaupt nichts zu tun, Szary auch nicht. Ich arrangiere beispielsweise die Songs. Ich mache viele „Beatsachen“  und Soundkompositionen.

Gab es schon mal Texte, die abgelehnt wurden?

Nein, das ist alles Saschas Entscheidung. Er weiß, was er für eine Verantwortung hat. Wir lehnen eher öfter Songideen ab, wenn jetzt einer mit einem Track ankommt, der scheiße ist. [lacht] Manchmal ist man auch überzeugt von einer Idee und du findest es fett und die anderen beiden finden es scheiße. Das ist dann natürlich schlecht. Wenn es nur einer scheiße findet, ist es schwierig. Das ist immer so eine Sache.

Studiokoller: Wie sieht es damit aus?

Immer!

Keine Chance, den zu vermeiden?

Na logo! Deswegen haben wir unser Studio jetzt sehr komfortabel eingerichtet. Wir haben jetzt schon ganz viele Studios gehabt und es war ganz viel so Punkscheiß mit schlecht klingenden Räumen, wo nur Bierpullen rumstanden. Jetzt haben wir uns ein richtiges Studio gebaut mit einem richtig geilen Aufnahmeraum. Wir haben jetzt Küche und Chillarea mit Tischtennisplatte und sowas. Man kann schon noch ein bisschen abhängen, was auch wichtig ist, weil das der einzige Ort ist, an dem wir das machen können. Sonst sind wir nur unterwegs. So ein Studio ist der „Abhängplatz“.

Um noch einmal auf die Sache mit dem Text zurückzukommen: Was kommt zuerst: Musik oder Text?

Immer die Musik. Sascha schreibt viele Texte für sich und sammelt sie.

Gibt es ein Thema, mit dem sich das Album lyrisch befasst?

Es hat damit zu tun, dass sich Saschas Leben seit der letzten Platte sehr verändert hat. Er hatte einen schweren Motorradunfall und ist fast abgenippelt, woraufhin wir eine ganze Tour absagen mussten. Und nach dieser Geschichte denkt man natürlich nochmal ein wenig anders über die Dinge nach. Ich denke, darum geht es viel.

Was ist das Beste und das Schlimmste, wenn man auf Tour ist?

Das schlimmste ist dieses Warten. Iggy Pop wurde mal von einem Journalisten gefragt, was Rock ’n‘ Roll für ihn ist. Er hat lange überlegt und hat dann einfach nur gesagt: „Warten.“ Du wartest. Immer. Dass der Bus losfährt, auf das Ankommen, auf den Soundcheck, auf den Gig und so weiter und sofort.
Das Beste ist: Tour ist wie Klassenfahrt. Sascha kenne ich schon seit 15 Jahren, manche Leute aus der Crew kenne ich schon seit der Grundschule. Szary kenne ich, seitdem ich acht bin. Das sind alles Freunde. Wenn du auf Tour bist, ist es wichtig, dass du mit Leuten unterwegs bist denen du vertrauen kannst… Tourlaub! [lacht]

Gibt es Anekdoten, besonders von dieser Tour?

Bisher ist noch nicht so viel passiert. Wir haben ja gerade erst angefangen. Wir haben jetzt Schränke, das ist ganz geil! Das darf man nicht unterschätzen, wie wichtig so ein Detail auf Tour ist. Sechs Wochen auf Tour sein und immer nur aus dem Koffer leben ist scheiße. Wir fangen ja jetzt erst an, richtig als Band zu touren. Wenn Szary und ich als Modeselektor unterwegs sind, steigen wir aus dem Flieger, legen auf, fahren ins Hotel, steigen in den Flieger und ab zum nächsten Gig. Jetzt mit Moderat sind wir 14 Leute. Der Schrank von Sascha und Szary ist von Clueso und ich habe mir meinen von Arnim von den Beatsteaks geborgt. Das sind Freunde von mir. Die haben ihren Proberaum unter unserem Studio.

Stichwort Bandformation: Gibt es bei der Albumproduktion Dinge, die man beachtet, wenn man weiß, dass man das Material später live performen wird?

Nicht wirklich. Das ist in erster Linie meine Aufgabe, weil ich der einzige war, der sich irgendwann mal die Frage gestellt hat: „Scheiße, wie wollen wir das überhaupt spielen?“ Wir recyceln viel. Sascha und Szary haben jetzt ein Modularsystem, wo ich mich aber eher raushalte, weil mir das alles zu nerdig ist. Da hat man dann einen Riesenteller von Sounds und muss sich überlegen, wie man das dann auf die Bühne kriegt.

Gibt es viele Leute, die sagen, dass ihr ein Sell Out seid, weil ihr mehr in die Poprichtung geht? Nervt das?

Bisher kam noch nicht so viel. Aber das ist ein natürlicher Prozess. Wenn du wächst, dann hast du mehr Leute, die das aus diverseren Gründen nicht mehr so toll finden. Ich habe einen berühmten Musikerfreund, den ich schon sehr lange kenne, der Paul Kalkbrenner heißt. Der ist der Patenonkel von meinem Sohn. Bei ihm konnte ich das auch beobachten. Dann ging er durch die Decke und die Hater kamen. Wenn du Hater hast, ist das ja eigentlich auch ein gutes Zeichen. Dass das Album so viel Gesang hat, hat sich erst im Laufe der Produktion so entwickelt. Wir wollten eigentlich zuerst eine Platte ganz ohne Gesang machen. Es gibt ja immer dieses Klischee von Popmusik. Wenn man an Pop denkt, muss man ja nicht gleich gezwungenermaßen an irgendwelchen Helene Fischer – Scheiß denken. Pop ist auch eine geile Sache, wir stehen alle drei darauf. Im Techno steht man nicht auf die Melodie, sondern auf die Entwicklung des Liedes. Im Pop hat man eine Struktur. Dieses Element ist sehr interessant und das haben wir einfach nur gemacht.

Abschließende Frage: Geht man privat noch feiern?

Logisch!

Echt?

Klar, aber so richtig viel Zeit hat man natürlich nicht mehr. Ich geh ab und zu mal ins Berghain, aber halt nur sonntags, weil da keine Touristen da sind. So richtig derbe feiern aber eher nicht. Ich meine, ich spiele 130-140 Gigs im Jahr. Ich bin sowieso immer feiern. Das ist ja mein Beruf. Wenn ich dann mal zu Hause bin, dann will ich auch zu Hause sein.


Das anschließende Konzert war großartig und auch jedes Lied vom neuen Album klang vielversprechend und machte Lust auf „III“. Auch die Pfadfinderei hat sich nicht lumpen lassen und unglaublich gut mit den Visuals abgeliefert.

Der einzige Kritikpunkt ist die Organisation vom Haus Auensee: Ich stellte mir die Frage, warum man beim Einlass nur eine Eingangstür benutzt, wenn doch drei zur Verfügung stehen. Es fehlte eine Struktur, mit der man die Menschenmenge in Schach halten konnte und die Garderobe schien zu klein.

Davon abgesehen war der Abend aber trotzdem mehr als lohnenswert und die Vorfreude hat sich ausgezahlt. Man hat gemerkt, dass die Band wollte, dass das Leipziger Publikum auf seine Kosten kommt. Besonders, weil es bei der letzten Tour ausgelassen wurde.

facebook.com/moderat.band

moderat.fm/


Gernot Bronsert von Moderat im Interview

Freshguide MDL 160 MAI 2016, Moderat-Interview


(Originalbeitrag, Kurzfassung in Printform auf Seite 40-41 des Freshguide MDL 160 MAI 2016)


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