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Knife Party – Abandon Ship | Album Review

Knife Party - Abandon Ship, Album Cover

„I realised that if an artist I liked released an album of old tunes, I’d be pissed off. So we wrote 12 from scratch, and it took FOREVER“

So beschreibt Rob Swire auf Twitter die Entstehung des Albums in einer Nussschale. Ende 2011 brachten er und Gareth McGrillen (ehemals ein Drittel von „Pendulum“) unter dem Namen „Knife Party“ die erste von drei EPs auf den Markt. Jetzt, fast drei Jahre später, gehören die Beiden zu den ganz Großen der Szene. Diesen Status wollen sie nun mit dem Release ihres Debütalbums „Abandon Ship“ verfestigen.

Als ursprüngliches Veröffentlichungsdatum war der 27. Oktober angepeilt. Nach Zeitproblemen und Diskussionen mit Manager und Label wurde dieses auf den 10. und schlussendlich 24. November verschoben. Für Leute, die ihre Musik bei iTunes kaufen, war die Freude dann groß, denn durch einen Fehler wurde das Album dort verfrüht am 7. November zum Kauf freigegeben. Die beiden beschlossen, einfach mitzugehen und unternahmen nichts, um das Missgeschick wieder rückgängig zu machen. Wer sollte sich auch darüber beschweren? Die Fans ganz sicher nicht. Nach all dem Hin und Her bleibt noch eine Frage offen: Hat sich das Warten gelohnt? Und diese Frage versuche ich, pünktlich zum offiziellen Release des Albums so gut wie möglich zu beantworten.

Vorab einige Fakten: „Abandon Ship“ wurde herausgebracht vom Label „Earstorm“ und enthält 12 Lieder mit einer Lauflänge von 56 Minuten. Genretechnisch bekommt man eine große Bandbreite, die Wikipedia passenderweise unter dem Sammelbegriff „EDM“ einordnet. Von allen Liedern erinnern nur vier an den klassischen „Knife Party“ – Sound: „Resistance“, „404“, „Give It Up und „Red Dawn“. Ansonsten lassen Swire und McGrillen ihrer Kreativität freien Lauf. Von Trap über Tropical House und experimentelle Sachen bis hin zu Discohouse wird hier alles geboten. Dabei bleiben die Produktionsqualität und das Sounddesign stets auf höchstem Level.

Wir starten das Album mit einem sich stetig steigerndem Intro und einer Stimme, die direkt aus einem Tomorrowland-Trailer kommen könnte. Dieses dient als direkte Überleitung zu „Resistance“. Dieser Song repräsentiert all das, wofür man „Knife Party“ kennt und liebt: Aggressiver, voller Klang, stimmige Breaks und einen Main Part, der Electro-Fans ein Lächeln ins Gesicht zaubert. Dieser ist etwas verstimmter und abgedrehter als gewohnt, aber alles in allem handelt es sich hierbei trotzdem um eine grundsolide Nummer.  „Boss Mode“ ist eine interessante Interpretation von Trap. Sehr cooler Track, der es schafft, aus den Elementen des Genres etwas Neuartiges und Originales zu schaffen.

„EDM Trend Machine = our story about the last 5 years of electronic music, condensed into a 5 minute trolling“ –  So wird Titel 4 von Rob Swire beschrieben und genau so klingt er auch. Doch das heißt noch lange nicht, dass es sich hierbei nur um einen albernen Scherz handelt. Lässt man sich nicht von den Anfängen der Mainparts ablenken, kann man das Lied trotzdem problemlos ernstnehmen und wertschätzen.

Beim ersten Hören von „404“ dachte ich an einigen Stellen tatsächlich, mein Computer hängt oder zeigt mir eine Fehlermeldung an. Dabei hätte ich doch schon beim Lesen des Titels darauf kommen können, das diese Geräusche wahrscheinlich nicht von meinem PC stammen. Sehr gute und lustige Nummer, die bei wiederholtem Hören besser wird.

Meine Gebete wurden erhört! Rob Swire singt wieder. Und zwar auf „Begin Again“. Progressive House, das an „One More Time“ von „Daft Punk“ erinnert. Der zweite Break gefällt mir atmosphärisch besonders. Das nächste Lied, „Give It Up“, erinnert stark an „Knife Party – Bonfire“, wirkt dabei jedoch vielmehr als eine Art Fortsetzung als eine stumpfe Kopie und ist mindestens genauso gut. „D.I.M.H.“, kurz für „Devil In My Heart“ (wie McGrillen kurzzeitig auf Twitter mitteilte) geht in die Richtung von klassischem House und hat mich von allen Tracks des Albums mit am meisten überrascht. Ziemlich eingängiger Kopfnicker.

„Micropenis“ ist definitiv am außergewöhnlichsten. Wir steigen ein mit morgendlichen Klängen, die zu einem treibenden, fast schon bizzarem Hauptteil führen. In Break 2 bekommen wir dann eine 8bit-Videospiel-Melodie. Man könnte sagen, dass alles dabei ist. Fragt sich nur wovon. Dabei kommt eine experimentelle Nummer heraus,  die aber nicht uninteressant ist.

Jetzt kommen wir auch schon zu dem Track, der mich am meisten überrascht hat: „Superstar“. Discohouse mit Höhepunkt am Schluss. Irritiert trotz Vielfalt des Albums erstmal, ist aber trotzdem äußerst solide und schafft es am Ende noch irgendwie, den Kreis zum elektronischen Sound vom Rest zu schließen.
„Red Dawn“ klingt nach „Knife Party meets India“, ziemlich guter Song. Das Album schließt mit dem ruhigeren „Kaleidoscope“, das einen perfekten Ausklang darstellt.

Fazit: „Abandon Ship“ ist für mich definitiv ein würdiges Debüt. Fantastisches Album, bei dem mir kaum Sachen einfallen würden, die „Knife Party“ hätten besser machen können. Auch das Sounddesign und die Produktionsqualität lässt – wie am Anfang bereits erwähnt – nie zu wünschen übrig und hebt sich stark vom Großteil der Szene ab. Man merkt einfach, dass die beiden mit ihrer Vergangenheit einfach Musik verstanden haben. Alle Lieder sind perfekt durchkomponiert und die einzelnen Teile klingen nicht überhastet oder erzwungen.

Der einzige objektive Kritikpunkt, den man in meinen Augen anbringen könnte, ist, dass das Album zu viel will. Die Genrevielfalt ist hier so groß, dass sie für 12 Titel und einen einzelnen Künstler fast zu groß ist. Doch irgendwie schaffen „Knife Party“ auf eine Weise ihren Stil in jeden Titel einzubringen, dass es nie aus dem Zusammenhang gerissen oder ungereimt wirkt. Außerdem ist es faszinierend, was für ein großes Spektrum von Musikrichtungen sie in der Lage sind zu produzieren und wie leicht es ihnen fällt, zwischen den Stilen zu wechseln. Auch an Kreativität und Experimentierfreudigkeit fehlt es den beiden nicht. Bei einem Duo, das mit seinen vorhergehenden EPs einen relativ aggressiven Stil für sich etabliert hat, braucht es auch gewisse Vielfalt, damit ein Album nicht zu eintönig und ermüdend wird. Man merkt den beiden an, dass sie sagen wollen sie, dass sie mehr können als Dubstep und Electro. Besonders fällt dies auf, wenn eine Stimme im ersten Drittel von „Superstar“ sarkastisch sagt: „Oh my god! What the fuck is this disco shit? What happened to the dubstep?“ Sie können es manchmal einfach nicht lassen, sich über Fans lustig zu machen, die alten Dingen hinterhertrauern.

Zu meinen Lieblingstracks zählen „Boss Mode“, „404“ und „Give It Up“.
Lieder, gegen die ich eine spezielle Abneigung habe, gibt es eigentlich nicht.


(Originalbeitrag)


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