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Alben aus meinem Geburtsjahr: Fugees – The Score

Fugees - The Score, Album Cover

Ich gehöre nicht zu den Leuten, die denken, dass die Vergangenheit bessere Musik bietet, als die Gegenwart. Auf der anderen Seite respektiere ich natürlich die Ursprünge von Kunst und finde es wichtig, sich damit auseinanderzusetzen.

Auf der Suche nach den Klassikern ist mir aufgefallen, dass in meinem Geburtsjahr viele bedeutungsschwangere Alben auf dem Markt gekommen sind. Deshalb möchte mir in dieser Serie einige Releases vornehmen, auf deren Bedeutung eingehen und meine Meinung dazu kundtun.

Heute ist „The Score“ von den Fugees an der Reihe. Die Fugees, das waren Lauryn Hill, Wyclef Jean und Pras Michel aus South Orange, New Yersey. Die Singles „Ready Or Not“, „Fu-Gee-La“ und „Killing Me Softly“ kenne ich noch aus meiner Kindheit. Natürlich weiß ich auch, wer Lauryn Hill ist. Obwohl mir in jungem Alter nicht bewusst war, dass eine rappende Frau zu diesem Zeitpunkt noch eine große Besonderheit war, empfand ich sie schon immer als sehr interessante Künstlerin. Erst später wurde mir der Einfluss von ihr und ihrer Gruppe bewusst.

Den Namen des Albums kann man von zwei Seiten betrachten. Einerseits steht er als eine Art Kurzform für die Redewendung ‚settle the score‘, was so viel heißt wie ‚eine Rechnung begleichen‘, andererseits ist ‚Score‘ englisch für ‚Filmmusik‘. Da es mit seinen vielen Skits und den Credits zu Anfang und Ende als eine Art Theaterstück angelegt ist, macht dieser Vergleich auch Sinn. Das Album ist sozusagen der Soundtrack für die Welt, in der die drei Leben.


Das Album „The Score“ – veröffentlicht am 13. Februar 1996 über Ruffhouse und Columbia Records –
läuft eine Stunde und lässt sich als Alternative Hip Hop klassifizieren. Unter den 13 Liedern befinden sich zwei Cover von Titeln von Roberta Flack und Bob Marley: „Killing Me Softly“ und „No Women, No Cry“. Überwältigende Kritikerstimmen und Verkaufszahlen machten dieses Projekt zu einem der größten Erfolge des Jahres. Außerdem beeinflusste es den Hip Hop der ausgehenden 90er stark.

Alles beginnt mit einem Spoken Word – Intro. Die ersten Sekunden dienen als Vorspann. Im Anschluss geben die Fugees einen Einblick in das sozialpolitische Klima ihrer Gegend. Ein Thema, das im Verlauf des Albums immer wieder aufgegriffen wird.

In „How Many Mics“ wird ihre momentane Situation zwischen Musik, Labeldeal und Straße beschrieben. Außerdem zeigt die Band ihr lyrisches Geschick. Der Beat kommt mit der Flöte minimalistisch daher und hat einen guten Groove. Die U-Bahn-Sounds im Refrain betonen das teils urbane Feeling der LP.

„Ready Or Not“ ist mit seinem melancholischem Sample und der gesungenen Hook (beides eine Homage an Enya) mein Lieblingslied. Lauryn Hill überschattet hier alle und beweist mit gutem Flow und Gesang, dass sie ein echtes Multitalent ist. Textlich verteilen die drei hier Seitenhiebe an alle MCs, die nicht bereit für dieses Album waren.

„Zealots“ ist voll mit Popkulturreferenzen und anderen cleveren Wortspielen. Wieder liegt der Fokus des Instrumentals auf Drums, Bass und sehr funktionalen Samples. Zum Schluss wird das Lied von einer Sirene unterbrochen, die ein Skit zum Thema Polizeigewalt einläutet.

Dieses Problem und weitere Instanzen von strukturellem Rassismus werden dann im Anschluss auf Songlänge thematisiert. „The Beast“ ist das erste und nicht das letzte sozialkritische Lied des Albums.

Auf „Fu-Gee-La“ – konzentrieren sich die Fugees wieder auf Lyrik. Dabei werden aber ernste Dinge wie das Leben im Ghetto nicht unter den Teppich gekehrt. Ein weiter Favorit von mir.

„Family Business“ handelt genau davon: der Bedeutung von Familie, Zusammenhalt und der Tatsache, dass man außerhalb davon selten Leuten vertrauen kann. Im Beat ist eine Gitarre zu hören, die mit ihrer rollenden Melodie ohne klare Linie ein Gefühl von Unsicherheit vermittelt. Stimmungstechnisch funktioniert dieses Lied super.

„Killing Me Softly With His Song“ ist das besagte Cover des gleichnamigen Liedes von Roberta Flack. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung spielte Lauryn Hill inhaltlich damit auf ihre Beziehung mit Clef aus der Band an. Der Beat ist wieder minimalistisch gehalten und betont Hills Gesang.

Der Titelsong sampelt passenderweise andere Teile des Albums. Beat und Refrain machen „The Score“ zu einem der ruhigeren Lieder. Das Endresultat klingt sehr cool und locker.

„The Mask“ steht für die sinnbildliche Maske, hinter der viele ihr wahres Ich verstecken, besonders Schwarze in Amerika. Clef, Pras und L. Boogie erzählen Stories von Misstrauen, Alltagsrassismus und sexistischem Anspruchsrecht. Lauryn Hills Strophe hat feministische Untertöne.

Das Konzept von „Cowboys“ ist genauso einfach wie genial: Hier wird das Leben im Ghetto als Westernszenario geschildert. Sehr stimmiges Lied mit passender Instrumentierung.

„No Woman, No Cry“ ist der Hoffnungsschimmer am Ende des Albums. Nach all den ersten Themen singen alle „Everyting is gonna be alright“. Die Gitarre lässt das Ganze wie ein Lied klingen, das am Lagerfeuer gesungen wird. Obwohl die Drums einen klaren Hip Hop – Einschlag aufzeigen, wird durch den jamaikanischen Akzent von Clef trotzdem der Reggae-Charakter des Originals beibehalten.

Auf dem letzten Lied – „Manifest“ – beleuchten die drei noch einmal ernstere Aspekte ihres Innenlebens. Danach erkennen die „Protagonisten“ im gesprochenen Outro, dass Rebellion das einzige Mittel gegen Unterdrückung ist.


Was soll man zu einem Album sagen, über das schon alles gesagt wurde? Eine Sache steht fest: Der Stellenwert von „The Score“ in der Hip Hop – Geschichte ist mehr als verdient. Jedes Lied hinterlässt in irgendeiner Form einen bleibenden Eindruck. Die Skits dienen als roter Faden und lassen das Album zu einer in sich geschlossenen Einheit verschmelzen. Dazu tragen auch die textlichen Querverweise auf andere Passagen der LP bei (beispielsweise werden Polizisten auf „Cowboys“ als ‚Beasts‘ bezeichnet, was natürlich eine Anspielung auf „The Beast“ ist). Was dem einen MC manchmal an textlichem Fokus fehlt, das gleicht der andere wieder mit seinen raffinierten Metaphern aus.

Die Komposition der Instrumentale ist definitiv im klassischen Hip Hop verwurzelt. Was diese jedoch besonders macht, ist der intelligente Einsatz der Samples und die getragene Liedstruktur. Nicht nur innerhalb der Beats wird zitiert. Die Texte sind übersät von Filmreferenzen und gesungenen Anspielungen auf andere Lieder. Dieses Album wird bereichert von der Welt, der es entsprungen ist. Doch das heißt noch lange nicht, dass es nicht auf eigenen Beinen steht.


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